Interview mit Prof. Sebastian Fiedler: Die Herausforderungen und Chancen der Wärmewende

Prof. Sebastian Fiedler

Ana Kuschmierz: Herr Prof. Fiedler, der Gebäudesektor steht bei der Energiewende besonders im Fokus. Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen?

Prof. Sebastian Fiedler: Bislang haben wir im Gebäudebereich vor allem das Energieeinsparpotenzial durch dickere Wärmedämmung, höhere Luftdichtheit und effizientere Anlagentechnik fokussiert. Diese Maßnahmen sind in vielen Fällen sinnvoll, führen aber nicht zwangsläufig zu einem klimaneutralen Gebäudebestand. Dieser kann nur durch die Umstellung der Strom- und Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien erreicht werden.

Wir müssen also umdenken und nicht nur Energie einsparen, sondern vor allem die aufeinander abgestimmte Transformation der Energieinfrastruktur und des Gebäudebestandes vorantreiben. Gebäude spielen dabei mehrere Rollen, nämlich sowohl als Energieverbraucher, als auch als Energieerzeuger und -speicher. Die größte Herausforderung liegt meines Erachtens darin, die Maßnahmen auf Ebene der Energieinfrastruktur und auf Ebene der einzelnen Gebäude so zu koordinieren, dass die Transformation wirtschaftlich leistbar und sozial verträglich wird.

Ana Kuschmierz: Welche Lösungen halten Sie für besonders vielversprechend?

Prof. Sebastian Fiedler: Strombetriebene Wärmepumpen und Photovoltaik sind sicherlich die beiden Leittechnologie der Energiewende im Gebäudebereich, die es ermöglichen Solarenergie sowie Umwelt- und Abwärme effizient zu nutzen. Außerdem werden Strom- und Wärmespeicher an Bedeutung gewinnen, wenn vermehrt finanzielle Anreize für deren netzdienlichen Betrieb gesetzt werden, also für den Ausgleich des volatilen Angebotes an Solar- und Windstrom im öffentlichen Stromnetz.  In urbanen Räumen werden außerdem Nah- und Fernwärmenetze eine zentrale Rolle spielen, in denen die Wärmeerzeugung allerdings auch überwiegend über Wärmepumpen erfolgen wird und Wärmespeicher für einen netzdienlichen Betrieb eingesetzt werden.

Ana Kuschmierz: Es gibt immer wieder Diskussionen über die Kosten solcher Umstellungen. Wird klimaneutrales Wohnen teurer?

Prof. Sebastian Fiedler: In Bezug auf die Energieversorgung, wäre vor allem ein Festhalten an fossilen Energien mit hohen Kostenrisiken verbunden. Damit meine ich nicht nur die externalisierten Kosten, die der Klimawandel global verursacht, sondern vor allem die absehbaren Steigerungen der Energiekosten. Insbesondere bei Erdgas hat das schon Anfang dieses Jahres mit den steigenden Netzentgelten und CO2-Preisen begonnen und wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Kurz- und mittelfristig sind Investitionen notwendig, um auf eine erneuerbare Energieversorgung umzustellen. Doch langfristig wird sich das auszahlen. Schon heute sind die laufenden Heizkosten bei einer stromgetriebenen Wärmepumpe in der Regel günstiger als bei einem erdgasbefeuerten Kessel und wirken sich ein guter energetischer Standard und eine erneuerbare Energieversorgung positiv auf den Wert eines Gebäudes aus. Die Herausforderung liegt vor allem darin, die Anreize und Finanzierungsmodelle so zu gestalten, dass die notwendigen Investitionen für Gebäudeeigentümer und Energieversorgungsunternehmen attraktiv werden.

Ana Kuschmierz: Welche Rolle spielen Hochschulen und die Forschung in diesem Wandel?

Prof. Sebastian Fiedler: Eine sehr zentrale. Wir bilden an der TH Lübeck nicht nur Studierende aus, sondern führen auch praxisnahe Forschungsprojekte durch. Unser Studiengang Nachhaltige Gebäudetechnik ist darauf ausgerichtet, Fachkräfte zu qualifizieren, die mit einem ganzheitlichen Verständnis auf die Gebäude, deren Energieversorgung und die Nutzerinnen und Nutzer blicken. Wir vernetzen Akteure, erforschen neue Ansätze und unterstützen Unternehmen und Kommunen bei der Umsetzung nachhaltiger Konzepte. Gerade die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie Politik und Verwaltung ist essenziell, um die Wärmewende zielgerichtet voranzutreiben.

Ana Kuschmierz: Die CONBAU Nord fand 2024 zum ersten Mal statt und war ein voller Erfolg. Besonders der interdisziplinäre Austausch und der Blick über den Tellerrand nach Skandinavien waren eine große Bereicherung. Nun steht die zweite Ausgabe 2025 an. Welche Erwartungen haben Sie?

Prof. Sebastian Fiedler: Ich freue mich sehr, dass die CONBAU Nord nach ihrem gelungenen Auftakt nun in die zweite Runde geht. Der Austausch zwischen unterschiedlichen Akteursgruppen ist für die von uns zu leistende Transformation entscheidend, und die internationalen Perspektiven, insbesondere aus Skandinavien, liefern wertvolle Impulse. Ich bin gespannt auf die neuen Ideen und Diskussionen, die sich daraus ergeben. Auch dieses Jahr werde ich mich inhaltlich und fachlich einbringen und freue mich darauf, gemeinsam mit anderen Expertinnen und Experten an Lösungen für die Herausforderungen der Wärmewende zu arbeiten.

Ana Kuschmierz: Herr Prof. Fiedler, vielen Dank für das Gespräch! Ich freue mich auf das Event!

CONBAU Nord 2025

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