Interview mit Lea Dohm zur Psychologie des Wandels und strategischer Kommunikation

Lea Dohm

Frau Dohm, als Dipl.-Psychologin und Transformationsberaterin beschäftigen Sie sich intensiv mit den psychologischen Aspekten von gesellschaftlichem Wandel.

Warum ist es so schwer, Akzeptanz für Veränderungen zu schaffen – gerade in Bezug auf große Transformationen wie die Wärmewende oder nachhaltiges Bauen?

💬 Lea Dohm: Das ist eine wichtige und komplexe Frage, für die es auch in der Psychologie unterschiedliche Antworten gibt. Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass uns als Menschen Veränderungen oft schwerfallen und wir sie gerne vermeiden, wenn es irgendwie möglich ist. Wir mögen unsere gewohnten Muster und Strukturen, in denen wir uns auskennen.

Hinzu kommt, dass viele von uns in einer Zeit aufgewachsen sind und ausgebildet wurden, in denen Nachhaltigkeit noch nicht die höchste Priorität hatte. Und bis heute fehlt vielen Menschen - selbst wenn die Existenz der ökologischen Krisen grundsätzlich anerkannt wird - auch noch ein Verständnis für die zeitliche Dringlichkeit und unsere persönliche unmittelbare Betroffenheit.

Die gute Nachricht ist: Trotz der Unsicherheit, die für uns alle mit Veränderungen verbunden ist, können wir uns als Menschen erstaunlich erfolgreich und innerhalb kurzer Zeit an Veränderungen gewöhnen und anpassen. Dies gelingt vor allem dann, wenn diese Veränderungen von vielen in ihrer Bedeutung erkannt und mitgetragen werden - insbesondere auch von Institutionen, Unternehmen und der Gesetzgebung.

Die eigene Klarheit über die neuen Ziele und die existenzielle Notwendigkeit von nachhaltigem Bauen und Wirtschaften kann dann dazu führen, dass wir ganz neue, phantastische Ideen entwickeln und in die Umsetzung bringen können. Es ist zudem individuell und für uns alle zukunftssichernd, sich diesem notwendigen Wandel zu stellen und ihn ins eigene tägliche Handeln zu integrieren.

Sie haben das Buch „Klimagefühle“ geschrieben, das sich mit der psychischen Verarbeitung der Klimakrise beschäftigt.

Welche Emotionen prägen Transformationsprozesse?

💬 Lea Dohm: Zunächst einmal wäre da sicher wieder die Angst vor Veränderungen zu nennen. Bei den ökologischen Krisen können diese Sorgen in zwei Richtungen ausfallen: Einerseits z.B. die Unsicherheit hinsichtlich der Klimakrise und all ihrer schweren Folgen, die uns in den nächsten Jahren begleiten werden, andererseits aber auch die Unsicherheit mit Blick auf die notwendigen Veränderungen: persönlich, beruflich, finanziell, gesellschaftlich. All diese Ängste sind zunächst einmal berechtigt und gut begründet, sie werden auch von sehr vielen Menschen geteilt. Der gesündeste Umgang mit ihnen ist, sie ernst zu nehmen und in eigene Entscheidungsprozesse zu integrieren. Vor dieser Herausforderung stehen gerade sehr viele Menschen auf einmal.

Ganz ähnlich gilt das übrigens für alle anderen Gefühle, die die Klimakrise in uns auslösen kann. Diese können individuell ganz unterschiedlich sein und sich auch im Laufe der Zeit immer wieder verändern. Es ist sinnvoll, hier das eigene Erleben zu reflektieren und dafür zeitweise auch ein gewisses Unwohlsein auszuhalten. Gefühle können uns nämlich zum Handeln motivieren - und gerade das gemeinschaftliche Handeln ist es, das uns die Krisen am ehesten gesund bewältigen lässt.

 


Wie können EntscheidungsträgerInnen im Bauwesen oder in der Politik Akzeptanz für nachhaltige Veränderungen fördern?

💬 Lea Dohm: Führungskräften kommt generell in diesen Transformationsprozessen eine bedeutende Rolle zu. Von ihnen muss ökologische Nachhaltigkeit bei allen wesentlichen Entscheidungen fortan mitgedacht und umgesetzt werden. Das ist doppelt herausfordernd, da vielen von ihnen schon im gewohnten Tagesgeschäft unter hohem Druck und Belastung stehen.

Damit das gelingt brauchen die Entscheidungsträger*innen selbst ein differenziertes Problembewusstsein. Sie müssen sich meist eigenständig mit den Implikationen der ökologischen Krisen für ihren Sektor vertraut gemacht haben. Das ist wichtig, denn sie haben eine entscheidende Vorbildfunktion: Wenn Führungskräfte selbst nachhaltige Praktiken unterstützen, etablieren und vorleben, sendet das eine starke Botschaft an die Mitarbeitenden, dass Veränderung notwendig, machbar und von der Führungsebene unterstützt und gewollt ist. Es liegt zudem an ihnen, strategische Entscheidungen an Nachhaltigkeitskriterien auszurichten und diesen Kurs gegenüber kritischen Stimmen zu verteidigen - selbst dann, wenn er im ersten Schritt sogar mögliche Nachteile mit sich bringen könnte. Eine enorme, auch psychologische Herausforderung, die ein hohes Maß an Flexibilität im Denken und Entscheiden, strategische Stärke und durchaus auch Mut erfordert!

Bei aller Bedeutung, die Führungskräfte in diesem Transformationsprozess haben, dürfen wir nicht unterschätzen, dass Veränderungen in der Regel dann am erfolgreichsten verlaufen, wenn die Mitarbeitenden immerzu in die Prozesse einbezogen werden. Wenn Mitarbeitende selbst die Verantwortung für neue Maßnahmen mitübernehmen, erhöht dies für sie das Gefühl der Kontrolle und Selbstwirksamkeit. Es stärkt ihre Sicherheit, in einem zukunftsfähigen Betrieb oder Unternehmen zu arbeiten. Es wird dann wahrscheinlicher, dass sie sich langfristig mit dem Arbeitgeber identifizieren und selbst den Mut haben, aktiv an der Umsetzung von neuen Nachhaltigkeitspraktiken mitzuwirken.

 

Wie kann eine positivere Kommunikation über Transformationen gelingen?

 💬 Lea Dohm: Zunächst sollten wir uns fragen, wo und in welchem Ausmaß eine positivere Kommunikation sinnvoll ist. Es ist wichtig, die Ernsthaftigkeit der Lage und die Notwendigkeit der Veränderungen so deutlich auszusprechen, wie sie auch vorliegen. Andernfalls können unsere Aussagen schlechtestenfalls als bagatellisierende Schönfärberei wahrgenommen werden. Auf der anderen Seite hilft es aber natürlich keinem, wenn wir im ständig hoffnungsarmen Dauerkrisenmodus alarmiert das Ende aller Gewissheiten voraussehen. Wir haben viele Handlungsmöglichkeiten und die sollten wir nutzen.

Eine positivere Kommunikation ist daher bestenfalls handlungsorientiert. Sie fokussiert die best practices, die es in der Branche bereits gibt, inspirierende Ideen oder mitreißende, kreative Utopien. In dieser Form der Kommunikation werden Menschen eingeladen, ihre Meinung einzubringen und aktiv mitzugestalten - denn Beteiligung erhöht die Akzeptanz für Veränderungen. Gerne dürfen auch persönliche Erfahrungen geteilt werden, die die Veränderungen greifbarer und nahbarer werden lassen. Eine Grundfrage könnte z.B. sein: Wie kann nachhaltiges Bauen zu einer positiven Zukunft in einer gesunden Natur und lebenswerten, klimaresilienten Städten beitragen?

 


Wie können Unternehmen, ArchitektInnen oder PlanerInnen selbst zur Veränderungskommunikation beitragen?

💬 Lea Dohm: Insgesamt muss ganz, ganz viel gesprochen werden. Einerseits intern, indem die eigenen Mitarbeitenden fortgebildet werden und Zugang zu Informationen über nachhaltiges Bauen, Ziele und Fortschritte bekommen. Andererseits aber auch mit Kund*innen und der breiteren Öffentlichkeit, um deutlich zu machen, dass die Herausforderungen der Zeit Alternativen zu den bisherigen Baustandards erfordern. Dazu gehören auch sehr konkrete Maßnahmen, z.B. statt eines Abrisses die Sanierung von Bestandsgebäuden, energetische Sanierungen und fossilfreie Energieversorgungen zu empfehlen. Es muss immer wieder deutlich gemacht werden, dass uns auf diesem Planeten nun einmal nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen und hier auch die Baubranche in Verantwortung steht. Dazu können sich auch ganz neue Partnerschaften z.B. zur Gemeinde oder Klimamanager*innen als sinnvoll erweisen, insbesondere wenn es um die Entwicklung neuer, innovativer Lösungen geht.

 

Was sind Ihre Tipps für eine erfolgreiche Kommunikation in Zeiten des Wandels?

💬 Lea Dohm: Es gibt drei Hinweise, die mir besonders wichtig erscheinen und die wir uns vor Gesprächen vor Augen führen können:

  1. Was ist das Ziel? Es ist sinnvoll, sich vor Gesprächen oder Vorträgen selbst zu fragen, was Ihr Wunsch und was realistisch zu erreichen ist. Geht es Ihnen z.B. darum, beim Gegenüber das Bewusstsein für Emissionen oder Abfallmanagement zu erhöhen? Oder geht es darum ein konkretes Verhalten zu ändern, sich zu vernetzen oder die Person als Unterstützer*in zu gewinnen? Je nachdem, welches Ziel einem Gespräch zugrunde liegt, kann sich das sinnvollste Vorgehen erheblich unterscheiden.
  2. Mit wem habe ich es zu tun? Ist mein Gegenüber bereits davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit unverzichtbar ist oder geht es erst einmal darum, ein grundsätzliches Problembewusstsein zu schaffen? Es kann auch sinnvoll sein, die eigene Sprache meinem Gegenüber anzupassen, z.B. wie viele Fachausdrücke ich benutze, wieviel Wissen ich voraussetze, welche Themen ich priorisiere usw.
  3. Zuhören! Damit Transformation gelingt, müssen die Anliegen und Bedenken der Beteiligten gehört und verstanden werden. Jemand stellt sich der Veränderung immerzu in den Weg? Fragen Sie doch einmal nach, woran das liegt, statt sich in Konfrontation aneinander abzuarbeiten. Sowieso stärkt die Partizipation vieler unterschiedlicher Menschen die breite Handlungsfähigkeit und deren Wohlbefinden und stellt sicher, dass möglichst viele sich aktiv den Herausforderungen annehmen.


Was ist Ihr persönlicher Wunsch für die Zukunft der Kommunikation über die Bau- und Wärmewende?

💬 Lea Dohm: Dass so viele Menschen wie möglich, die in diesem Bereich arbeiten, es fortan wagen, die ökologischen Krisen und das Gebot der Nachhaltigkeit konsequent und immer wieder aufs Neue in ihrer täglichen Arbeit mitzudenken.

Und dann wünsch ich uns allen den Mut, diese Veränderungen trotz aller Widerstände in großen Schritten voranzubringen, um unseren Kindern eine sichere und gesunde Zukunft zu ermöglichen.

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