Interview mit Dr. Sonja Schlipf zur klimaangepassten Stadtentwicklung Hamburgs

Dr. Sonja Schlipf [© Kristina Steiner]

Frau Dr. Schlipf, Sie arbeiten intensiv an der klimaangepassten Stadtentwicklung Hamburgs. Können Sie uns einen kurzen Überblick darüber geben, was die „Schwammstadt“ genau bedeutet?

Als HAMBURG WASSER liegt uns die Entwicklung Hamburgs als Schwammstadt am Herzen. Man kann sich das so vorstellen, dass die Stadt so umgestaltet wird, dass sie wie ein Schwamm für das Regenwasser fungiert. Das Regenwasser wird dann nicht mehr, wie bisher in den meisten Städten aufgrund der hohen Versiegelung, abfließen, sondern wird vor Ort zurückgehalten, kann versickern und kommt dem natürlichen Wasserhaushalt zugute.

Das gelingt beispielsweise durch begrünte Fassaden und Dächer, entsiegelte Flächen, Mulden und Wassergräben. Zusätzlich bedeutet das für Hamburg Wasser, dass Abwasserkanäle entlastet werden. Es kann mehr Regenwasser versickern und verdunsten und Pflanzen und Gewässer in der Stadt profitieren zusätzlich davon.

 

Hamburg setzt bereits zahlreiche Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel um. Was sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung der Schwammstadt-Strategie?

Die Schwammstadt in Hamburg ist ein Leitbild, das uns und die Behörden in unterschiedlicher Form begleitet. Dabei sind immer wieder unterschiedliche Interessen betroffen, die an einigen Stellen dieselben sind und an anderen Stellen neu ausgehandelt werden.

Dadurch dass die Ideen und Lösungsmöglichkeiten nicht immer einem Standard entsprechen, stehen wir immer wieder vor der Herausforderung neue Wege zu gehen und diese mit allen Beteiligten abzustimmen.

Ein gutes Beispiel ist hierfür die Zusammenarbeit mit Schulbau Hamburg. Sie sind mit 414 Schulen über die ganze Stadt verteilt und mitunter einer der größten öffentlichen Flächeneigentümer in Hamburg. In einem engen Austausch unterstützen wir sie dabei, ihre Flächen so zu gestalten, dass sie nicht mehr oder nur eingeschränkt an unsere Siele angeschlossen werden müssen. Dies unterstützt nicht nur den naturnahen Wasserhaushalt und verbessert die Mikroklimatische Situation auf den Schulhöfen, sondern zeigt den Hamburger Schüler:innnen einen nachhaltigen Umgang mit Regenwasser.

Mittlerweile gibt es sehr viele Mitstreiter:innen auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Organisationseinheiten, die das Konzept und die Lösungen gerne mittragen. Das freut uns sehr. Im Einzelfall müssen trotzdem immer wieder neue Ideen und Konzepte entwickelt werden. Durch die Zusammenarbeit mit der Umweltbehörde (BUKEA) in der RISA-Leitstelle und dem Amt für Wasserwirtschaft haben wir einen starken Partner gefunden, der besonderen Fragestellungen aus der hoheitlichen Sicht weiter voran bringt.

 

Welche konkreten Maßnahmen wurden bereits umgesetzt, um Hamburg klimaresilienter zu machen?

Wir arbeiten auf verschiedene Ebenen. Zum einen wird das Regenwassermanagement in unterschiedliche städtische Strategien integriert. Die blau-grüne Infrastruktur ist ein besonderes Handlungsfeld in der Hamburger Klimaanpassungsstrategie, die in diesem Frühjahr vom Hamburger Senat beschlossen wurde. Zusätzlich werden von meinen Kolleginnnen und Kollegen in der Umweltbehörde und bei Hamburg Wasser Datengrundlagen erarbeitet und immer wieder weiterentwickelt, die im Hamburger Wasseratlas veröffentlicht wurden.

Dabei geht es zum Beispiel um Karten, die basierend auf unterschiedlichen Starkregenszenarien mögliche Überflutungen in der Stadt zeigen oder Böden, die für eine Versickerung besonders gut geeignet sind.

Weitere Datengrundlagen stellen wir auch auf unserer gemeinsamen RISA-Website (Wissen - RISA Hamburg) zusammen und erleichtern damit die Zugänglichkeit für alle.

Kommunikation ist der dritte Strang, der zum einen die Wissensvermittlung für alle städtischen Mitarbeitenden beinhaltet und den Austausch aller in Hamburg engagierten Akteure einschließt. Hinzukommt, dass wir mit Informationsveranstaltungen, Leitfäden und weiteren Formaten das Wasserbewusstsein der Stadtgesellschaft stärken.

In einzelnen Projekten erproben und entwickeln wir neue Lösungen zur Umsetzung  der Schwammstadt in Hamburg mit unterschiedlichen Schwerpunkten (Hein Klink Stadion, Ohlendorffs Park, etc.). Viele dieser Projekte werden auf unserer Website vorgestellt und beschrieben (So sieht RISA aus - RISA Hamburg).

Über eine Auswahl der Projekte und die Erfahrungen, die wir dabei gemacht haben, werde ich in meinem Vortrag auf der CONBAU berichten.

 

Gibt es Städte, von denen Hamburg lernen kann?

Gerade in Europa gibt es spannende Städte, die ebenfalls an der Umsetzung der Schwammstadt arbeiten. In Kopenhagen wurde 2011 eine räumliche Strategie entwickelt, die sehr konkrete Schwerpunkte auf die Stadtgestaltung legt und diese mit anderen Bedarfen vereint. In Barcelona wurde mit dem Konzept der Superblocks ein grünes Netz über die gesamte Innenstadt gespannt, das die Kühlung der Stadt unterstützt und Regenwasser vor Ort sammelt. In Amsterdam wurde mit Rainproof Amsterdam ein Netzwerk gegründet, das die Transformation zu einem nachhaltigen Regenwassermanagement und die Eigeninitiative unterstützt.

Durch das Kooperationsmodell zwischen der Hamburger Umweltbehörde und HAMBURG WASSER schaffen wir es, die Stadtgesellschaft langfristig bei der Umsetzung blaugrüne Lösungen in Hamburg zu unterstützen und Hamburg gemeinsam zu einer Schwammstadt zu machen.    

 

Inwiefern können private Unternehmen und Bauherren dazu beitragen, dass das Konzept der Schwammstadt erfolgreich umgesetzt wird?

Private Unternehmen und Bauherren können ihr Regenwasser auf dem eigenen Grundstück zurückhalten. Eine Dachbegrünung in unterschiedlichsten Ausführungen kann schon einen großen Beitrag leisten, den Abfluss vom eigenen Grundstück zu reduzieren. Zusätzlich können Dachflächen an Mulden angeschlossen werden, welche das Regenwasser sammeln und langsam versickern. Wenn die Flächen dafür nicht ausreichen, helfen Rigolen unter den Mulden das Volumen zum Regenwasserrückhalt zu erhöhen. Zusätzlich hilft es immer, die Versiegelung auf ein Mindestmaß zu reduzieren.

In Hamburg bietet die Investitions- und Förderbank seit diesem Frühjahr genau dafür ein Förderprogramm an (RISA-Förderprogramm - RISA Hamburg). Der im Frühjahr gestartete Wettbewerb der Umweltbehörde zum „Abpflastern“ richtet sich an Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen und ruft dazu auf, vollversiegelte Flächen zu entsiegeln. Die Beiträge werden in unterschiedlichen Kategorien gesammelt, so dass nicht nur einzeln entsiegelte Flächen prämiert werden, sondern auch besonders aktive Stadtteile und Bezirke honoriert werden.

Die Maßnahmen sind nicht nur sinnvoll, um den naturnahen Wasserhaushalt zu fördern, sondern auch, um einen Beitrag zur städtischen Starkregenvorsorge zu leisten.

 

Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei der Stadtentwicklung im Kontext der Schwammstadt?

Durch die Digitalisierung ist die städtische Wasserwirtschaft in der Lage, Modelle zu entwickeln, welche eine genauere Vorhersage möglicher Überflutungen im Fall unterschiedlicher Starkregenereignisse machen können und uns zeigen, wo die Kapazitäten in der Kanalisation eingeschränkt sind.

Mithilfe des Modells stellen wir im ersten Schritt fest, ob Bereiche gefährdet für Überflutungen sind. Im zweiten Schritt prüfen wir mit der Wasserwirtschaft in der Umweltbehörde, ob in dem betroffenen Bereich empfindliche Einrichtungen, z.B. Krankenhäuser, Seniorenheime oder U-Bahneingänge liegen. Diese Bereiche priorisieren wir bei der Maßnahmenentwicklung für die Schwammstadt und den Überflutungsschutz.  

Der Starkregenindex von HAMBURG WASSER zeigt zusätzlich aktuelle Daten von Starkregenereignissen, indem Daten des Wetterdienstes und der Wetterstationen von Hamburg Wasser aggregiert in einer Karte zusammengefasst werden. Die Karte zeigt farblich an, wo ein Starkregen auftritt und in welcher Intensität.  Damit helfen diese Daten der Sensibilisierung für die Starkregenvorsorge

 

Was sind die nächsten großen Schritte für Hamburg auf dem Weg zur Schwammstadt?

Mit der Gründung der RISA-Leitstelle, der Umsetzung des Klimaplans und der Klimaanapassungsstrategie haben wir in Hamburg eine Basis geschaffen, den Gedanken der Schwammstadt in die Fläche zu bringen. Hierfür werden von den Behörden Leitfäden, Hilfestellungen und rechtliche Grundlagen geschaffen. Im Nächsten Schritt heißt es, diesen Gedanken noch weiter zu verbreiten und über Pilotprojekte hinaus weitere gute Beispiel zu schaffen.

 

Gibt es eine zentrale Botschaft, die Sie den Teilnehmenden der CONBAU Nord mitgeben möchten?

Die Anpassung der Infrastruktur an den Klimawandel braucht das Zusammenspiel vieler Akteure. Wasserwirtschaft, Wohnungswirtschaft, Stadt- und Verkehrsplanung müssen an einem Strang ziehen, um die Transformation Hamburgs zu einer Schwammstadt zu realisieren. Deswegen ist die Teilnahme an der CONBAU Nord aus unserer Sicht wichtig, weil sie den Austausch der Stakeholder und gegenseitiges Verständnis für die Bedarfe aller schafft.

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